Interview mit Ljenče Nikolovski – Erste makedonische Vertreterin im Ausländerbeirat Wiesbaden

Bei der Ausländerbeiratswahl in Wiesbaden, die am 14. März 2021 stattfand, wurde Ljenče Nikolovski als Kandidatin der Interkulturellen Frauenliste in die offizielle Zusammensetzung des Beirats aufgenommen und vertritt die Rechte und Interessen von Ausländern*innen im Ausländerbeirat der hessischen Landeshauptstadt.

Wir begrüßen Sie und danken Ihnen sehr, dass Sie unserer Bitte für ein Interview mit Ihnen nachgekommen sind. Stellen Sie sich bitte zunächst einmal der makedonischen Gemeinde in Deutschland vor

Ljenče Nikolovski: Guten Tag, zunächst einmal danke, dass Sie mich kontaktiert haben. Es ist mir eine große Ehre und Freude. Mein Name ist Ljenče Nikolovski, ich wurde am 8. März 1983 in Strumica, Makedonien, geboren. Ich lebe seit 2007 in Deutschland. Außerdem bin ich verheiratet und Mutter von zwei wunderschönen Töchtern. Ich bin von Beruf Sozialpädagogin und arbeite an einer Grundschule in Wiesbaden.

Der hauptsächliche Anlass für dieses Interview ist Ihre Wahl in den Wiesbadener Ausländerbeirat. Was sind Ihre Gründe, bei solch besonderen Wahlen zu kandidieren?

Ljenče Nikolovski: Seit meiner Ankunft in Deutschland war ich sofort mit mehreren internationalen Vereinigungen in Kontakt gekommen, in denen Meinungen und Erfahrungen von Menschen mit Migrationsgeschichte ausgetauscht werden. Ich habe mich sehr für die Gesetze und Vorschriften hier in Deutschland interessiert. Ebenso mit den Fragen wie und in welcher Weise „Fremde“ in der neuen Umgebung zurechtkommen, welche Probleme Neuankömmlinge haben, welche Probleme diejenigen haben, die sich schon länger in Deutschland aufhalten. Deshalb habe ich mich entschieden, mich für ein Praktikum beim Dienst für Einwanderung und Integration zu bewerben. Dort habe ich mir viel Wissen und Erfahrung angeeignet, sodass ich am eigentlichen Prozess der Integration der Völker der Balkanländer beteiligt sein konnte. 2011 habe ich angefangen als Integrationsassistentin in Wiesbaden zu arbeiten. Als Sprach- und Kulturvermittlerin für die Menschen unserer Region,  Makedonien, Serbien, Kroatien, Bosnien und Bulgarien, war ich motiviert und wollte mich noch mehr engagieren, um für allen anderen Rat- und Hilfesuchenden nützlich sein zu können.

Welche Aufgaben hat der Ausländerbeirat der Stadt Wiesbaden, wie viele Mitglieder hat er und wie lange dauert dessen Mandat?

Ljenče Nikolovski: Der Ausländerbeirat ist eine offizielle Vertretung der ausländischen Bevölkerung in der Gemeinde. Der Ausländerbeirat Wiesbaden hat beratende Funktion, d.h. er berät die Stadtverwaltung in allen Belangen, in denen eine Bevölkerung mit Migrationshintergrund vorliegt und vertritt die Interessen der Bevölkerung mit Migrationshintergrund in Wiesbaden. Insgesamt 31 Beiratsmitglieder wurden im März 2021 in den Ausländerbeirat gewählt. Unter ihnen wurde ich als erste und einzige Makedonin in den Ausländerbeirat in Wiesbaden gewählt, daher bin ich allen, die für mich gestimmt und mir ihre große Unterstützung bei den Wahlen gegeben haben sehr dankbar. Das Mandat dauert 5 Jahre. Die Arbeit im Ausländerbeirat ist sehr interessant und abwechslungsreich. Der vor 50 Jahren gegründete Ausländerbeirat, der erste seiner Art, hat sich im Laufe der Zeit von einem beratenden zu einem politisch agierenden Gremium gewandelt. Beispielsweise hat der Vorsitzende einen festen Sitz und Rederecht in der Stadtverordnetenversammlung. Ausschüsse müssen bei Themen, die ausländische Einwohner betreffen, den Ausländerbeirat anhören. Seit 2020 kann der Beirat Anträge auch direkt an das Stadtparlament stellen. Außerdem entscheidet der Beirat über die Vergabe von Fördermitteln in Höhe von bis zu 52.000 Euro jährlich an Migrantenvereine.

Was sind die Bedingungen für die Bewerbung für eine solche Wahl und haben Sie Empfehlungen oder Ratschläge für diejenigen, die in Zukunft kandidieren möchten?

Ljenče Nikolovski: Jeder, der 18 Jahre alt ist und länger als 3 Monate in einer Gemeinde lebt, kann für diese Stelle kandidieren. Motivation und Hilfsbereitschaft versteht sich von selbst. Wer keinen deutschen Pass besitzt, ist wahlberechtigt. Wählbar sind nur diejenigen mit deutschem Pass, aber im Ausländerbeirat nicht stimmberechtigt.

Was wurde bisher erarbeitet und gibt es Projekte für Makedonen/Makedoninnen in dieser Stadt?

Ljenče Nikolovski: Projekte wurden aufgrund der aktuellen Situation mit der Pandemie nicht realisiert, wodurch viele Dinge zur gleichen Zeit nicht realisiert werden konnten. Das größte interkulturelle Fest Wiesbadens kehrt jedoch in Zusammenarbeit mit der Stadt nach zweijähriger Corona-Pause im September auf den Schlossplatz zurück. Dieses beliebte internationale Sommerfest mit Volkstänzen und kulinarischen Spezialitäten von Migrantenvereinen wird seit 1976 vom Ausländerbeirat veranstaltet.

Haben die Makedonen in Wiesbaden einen eigenen Verein?

Ljenče Nikolovski: Die Makedonen in Wiesbaden haben noch immer keinen eigenen Sport- oder Kulturverein, das bedeutet also dass es überhaupt keinen Treffpunkt gibt. Mein Ziel und Wunsch ist es natürlich, die Makedonen in Wiesbaden zu vereinen. Lasst uns ein Netzwerk vereinter Makedonen schaffen, die sich gegenseitig unterstützen und ermutigen, zusammenzuleben. Ich möchte einen Treffpunkt für unser Volk schaffen, wo die makedonische Tradition und Kultur gepflegt wird. Ich möchte aber erwähnen, dass auch die Völker der Nachbarländer für das Bestehen und Zusammenleben von großer Bedeutung sind.

Was sind die Alltagsprobleme der neu angekommenen Makedonen?

Ljenče Nikolovski: Ich würde sagen, die Anpassung. Unsere Leute haben eine andere Mentalität als die Deutschen. Die Lebensbedingungen hier unterscheiden sich von den Lebensbedingungen in Makedonien. Das Leben im Ausland ist mit viel Nostalgie, Bitterkeit und Emotionalität für die Heimat und für die Familie im Heimatland verbunden. Für viele neue Makedonen ist dies ein Grund einer unvollständigen Anpassung an die neue Umgebung. Auch die deutsche Sprache als große Barriere und die damit verbundenen Schwierigkeiten für neu zugewanderte Makedonen sollte genannt werden.

Kooperieren Makedonen der ersten oder zweiten Generation mit den Neuankömmlingen?

Ljenče Nikolovski: Sie sollten kooperieren. Es kommt auch auf den Charakter der Personen an. Die jüngere Generation hat weniger Barrieren und Hürden, um Kontakte zu knüpfen, weil es heutzutage zumindest einfacher ist. Kontakte, Bekanntschaften werden digital geknüpft, Verflechtungen aller Art werden über sozialer Netzwerke gespreizt und auf diese Weise sind sie verbunden und kooperieren miteinander. Die ältere Generation profitiert von der jüngeren, sodass alle auf eine Weise verbunden sind. Wieviel für die Verpflichtungen und die Zeit, die jemand für die Zusammenarbeit aufwenden möchte, kann nur jeder für sich selbst beantworten.

Was ist Ihrer Meinung nach die wichtigsten Themen für die Makedonen in Wiesbaden?

Ljenče Nikolovski: Das ist der Familiennachzug oder Familienzusammenführung, die Bewerbung um einen Job und die Anerkennung von Abschlüssen in Deutschland.

Was sind Ihre persönlichen Ziele und Wünsche?

Ljenče Nikolovski: Mein Ziel ist es, mich für die Menschen gegen Ungleichbehandlung und Diskriminierung von Völkern einzusetzen. Diskriminierung und Rassismus dürfen nirgendwo Platz finden. Niemand soll wegen seiner Hautfarbe, Religion oder Herkunft benachteiligt werden. Ich möchte mich für Bildungsangebote engagieren, für die Integration in Kindergärten und Schulen.

Haben Sie jemals Diskriminierung erlebt oder erfahren?

Ljenče Nikolovski: Ich sage Ihnen ehrlich, dass ich mich hier in Deutschland nie diskriminiert gefühlt habe. Es hängt alles vom Verhalten und Handeln in dieser Gesellschaft ab. Wenn wir korrekt handeln, deutsche Gesetze und Regeln befolgen und uns korrekt verhalten, werden wir mit Sicherheit nicht diskriminiert.

Abschließend wünschen wir Ihnen viele erfolgreiche Projekte, Wohlergehen und Gesundheit für alle Beiratsmitglieder, danke, es war uns eine Ehre.

Ljenče Nikolovski: Nochmals vielen Dank für die Einladung zum Interview. Es war mir eine Ehre und Freude die Gelegenheit gehabt zu haben, mich als Vertreterin im Ausländerbeirat in Wiesbaden vorzustellen. Mein Erfolg beruht auf die Unterstützung aller, die sie mir gegeben und die für mich gestimmt haben. Und ganz besonders möchte ich meiner Familie danken, die mich bei jeder Entscheidung, die ich treffe, voll und ganz unterstützt und mir all die Kraft gibt, meine politische Karriere konsequent fortzusetzen.