Von Jasminka Pavlovska, „Nova Makedonija“ – 10.03.2023
Die Geschichtsschreibung verzeichnet unwiderlegbare Beweise für die Deportation der makedonischen Juden von 1943
Die Nacht vom 10. auf den 11. März 1943 ist die kritische Zeitspanne, markiert als tragisches Ereignis in der Geschichte Makedoniens im Zweiten Weltkrieg – die Verhaftung der makedonischen Juden durch die bulgarische Besatzungsarmee, die in das Vernichtungslager Treblinka deportiert wurden. Dieses Ereignis ist Teil des Holocaust an den Juden im Zweiten Weltkrieg, bei dem sechs Millionen Menschen ums Leben kamen, eines der größten Verbrechen des Nazifaschismus.
Es ist katastrophal und sogar verbrecherisch, dass die Tatsache der Deportation der makedonischen Juden, für die die Geschichtswissenschaft die Schuldigen erkannt und verurteilt hat, im aktuellen politischen Kontext missbraucht wird. Ein Teil der umstrittenen Bedingungen Bulgariens für die makedonische europäische Integration ist die Forderung, die Terminologie „bulgarischer faschistischer Besatzer“ aus makedonischen Denkmälern und Geschichtsbüchern in Themen im Zusammenhang mit den Ereignissen des Zweiten Weltkriegs zu entfernen. In einem solchen bulgarischen revisionistischen Kontext gibt es sogar Versuche, die Schuld für die Deportation der Juden auf die makedonische Seite zu schieben.
– Der Holocaust an den Juden ist nicht nur ein Teil der Geschichte Makedoniens, er ist ein Teil der Geschichte Europas und der Weltgeschichte. Aber die Geschichtswissenschaft hat klar und konkret auf die Schuldigen des Holocausts hingewiesen, und Makedonien und das makedonische Volk gehören keineswegs zu den Schuldigen. In Bulgarien gibt es derzeit zwei Strömungen bezüglich der Deportation der Juden aus den von ihrer Armee besetzten Gebieten im Zweiten Weltkrieg, darunter (Vardar-)Makedonien, Ostserbien und Nordgriechenland. Die eine Strömung akzeptiert die Schuld und fordert eine Entschuldigung vom modernen bulgarischen Staat, während die andere Strömung die Rolle des kaiserlichen Bulgariens bei der Deportation der Juden aus den besetzten Gebieten ignoriert und historisch festgehalten möchte, dass bulgarische Bürger, angeführt von der Kirche, die Juden vor der Deportation vom Territorium retteten, das wie sie selber als „Altbulgarien“ bezeichnen. Die Tat der bulgarischen Bürger verdient sicherlich Anerkennung, aber angesichts der völligen historischen Wahrheit über die Rolle des bulgarischen Staates und seiner Institutionen beim Pogrom der Juden im Zweiten Weltkrieg muss akzeptiert werden. Sie dürfen in Sofia nicht daran denken, die Schuld für das tragische Schicksal der Juden auf die Bevölkerung der besetzten Gebiete, zumindest in Makedonien, abzuwälzen. Wir können nicht zulassen, dass die Geschichte die Wahrheit vergisst, einen Teil davon vernachlässigt – sagt der Historiker Todor Čepreganov.
Professor Čepreganov stellt fest, dass Bulgarien, noch bevor es in das Bündnis der faschistischen Achse (Hitler – Mussolini) im Zweiten Weltkrieg eintrat, im Januar 1941 ein Gesetz zum Schutz der Nation verabschiedete, das den Nürnberger Gesetzen von 1935 aus Nazideutschland nachempfunden war und auf deren Grundlage der Holocaust an den Juden tatsächlich durchgeführt wird. Der bulgarische Zar Boris III. unterzeichnet dieses Gesetz, das bis zur Kapitulation Bulgariens am 9. September 1944 in Kraft blieb. Obwohl die Juden aus dem sogenannte Altbulgarien 1943 vor der Deportation nach Treblinka gerettet wurden, wurde das Gesetz nie aufgehoben und hing bis zum Tag der Kapitulation wie ein Damoklesschwert über ihnen.
Zu den Kontroversen der heutigen makedonisch-bulgarischen bilateralen Beziehungen gehört der Versuch, Zar Boris III. in Makedonien zu rehabilitieren durch Gründungen von sogenannten bulgarischen Vereine im Land, deren Ziel es ist die Existenz einer „bulgarischen“ Minderheit zu demonstrieren.
Die historischen Persönlichkeiten, die Träger der faschistischen Politik und der während des Zweiten Weltkriegs begangenen Verbrechen, wurden nach 1944 auch in Bulgarien zu Kriegsverbrechern erklärt und verurteilt. Aber 1997-98 rehabilitierte das demokratische Bulgarien sie als Opfer des Kommunismus, einschließlich Zar Boris III. Es gab sogar Versuche, ihn als Retter der Juden darzustellen. Aber es gibt kein einziges Dokument, das bestätigt, dass er eine Rolle bei der Rettung der Juden in Bulgarien vor der Deportation gespielt hat, im Gegenteil, es gibt die unterzeichneten Deportationsakten, die die negative Rolle des bulgarischen Zaren beim Schicksal der Juden Makedoniens als besetztes Gebiet Bulgariens während des Zweiten Weltkriegs bestätigen – sagt der Historiker Todor Čepreganov.
Der historische Kontext, erklärt von Stefan Petrušev, Master of History:
– Unmittelbar nach der Kapitulation Jugoslawiens am 18. April 1941 marschierte die bulgarische Armee in Makedonien ein und begann mit dem Aufbau des Verwaltungsapparates und der Umsetzung der antisemitischen Gesetzgebung. Das Gesetz zum Schutz der Nation unmittelbar nach der Besetzung des Vardar-Teils Makedoniens war die Grundlage der antijüdischen Politik. Die Grundlage für die antijüdischen Maßnahmen kann im Gesetz zum Schutz der Nation gefunden werden, das am 23. Januar 1941 von der bulgarischen Versammlung verabschiedet und vom bulgarischen Zaren Boris III. ratifiziert wurde. Absurd ist, dass das Gesetz zum Schutz der Nation verabschiedet wurde, bevor Bulgarien offiziell in den Zweiten Weltkrieg eintrat. Die Grundlage des bulgarischen Gesetzes zum Schutz der Nation kann in den 1935 in Deutschland verabschiedeten Nürnberger Gesetzen gefunden werden, die eigentlich eine teilweise Kopie jener Gesetze sind, mit denen die bulgarischen Behörden die sogenannte Reinheit der bulgarischen Nation bewahren wollten.
Mit dem Gesetz, das Bulgarien im Januar 1941 verabschiedete, beschränkte der Staat den Juden tatsächlich eine Reihe von Bürgerrechten. Mit dem Gesetz zum Schutz der Nation wurden die Juden nicht nur aller politischen, wirtschaftlichen und sozialen Rechte, sondern auch der grundlegendsten Bürgerrechte beraubt. Durch diese Maßnahmen wurde der Jude als Untermensch angesehen. All dies war jedoch nur Teil eines langen Prozesses, dem bald ihre Deportation folgte.
Das Abkommen zur Auswanderung von 20.000 Juden aus Makedonien und Thrakien wurde am 22. Februar 1943 zwischen dem bulgarischen Kommissar Aleksand‘r Belev einerseits und dem deutschen Generalbevollmächtigten Theodor Dannecker andererseits geschlossen. In Anbetracht der Informationen über die Orte, an denen die Juden lebten, sowie ihre Anzahl, wurde die Deportation äußerst schnell und effizient durchgeführt.
Die Aktion zur Vertreibung makedonischer Juden begann in der Nacht vom 10. auf den 11. März 1943. Das Kommissariat für jüdische Angelegenheiten bildete Gruppen, die aus einem Polizeichef, einem Polizisten und mehreren Soldaten und Bürgern bestanden. Es gab eine Liste, nach der jede Gruppe eine bestimmte Anzahl von Häusern zu besuchen hatte. Die Liste bestand aus Vornamen, Nachnamen, Geburtsdaten, Wohnort und Beruf. Die Liste war von strategischer Bedeutung, um die makedonischen Juden aus ihren Häusern zu vertreiben. Gemäß diesen Listen wurden die makedonischen Juden eingesammelt und zum Monopol in Skopje gebracht und mit dem Segen des bulgarischen Premierministers Bogdan Filow am 22., 25. und 29. März 1943 in das Vernichtungslager Treblinka verlegt, wo sie alle bis auf den letzten hingerichtet wurden.
Solche Verbrechen, die von der bulgarischen faschistischen Armee und Polizei begangen wurden, versucht nun Bulgarien vor der Welt zu vertuschen und sich als Beschützer der verfolgten Juden darzustellen, indem es die Wahrheit über die Deportation der Juden aus Makedonien und Thrakien verzerrt und die Schuld auf die Bevölkerung in den besetzten Teilen abschiebt. Jedoch einer Nation die Schuld zu geben, die selbst ein Opfer der bulgarischen faschistischen Regierung war, ist wirklich erbärmlich und heuchlerisch.