Roman „Quecke“ von Petre M. Andreevski

Petre M. Andreevski’s Meisterwerk übersetzt aus dem Makedonischen ins Deutsche von Benjamin Langer

Petre M. Andreevski (1934–2006) hat mit »Quecke« den großen Roman über das Makedonien zu Beginn des 20. Jahrhunderts geschrieben, in der Republik Makedonien ist „Pirej“, so der Titel im Original, längst ein Klassiker und Schullektüre. In der ersten deutschen Übersetzung von Benjamin Langer erfährt nun auch die deutschsprachige Leserschaft vom Schicksal von Jon und Velika, einem Bauernehepaar aus einem kleinen Dorf in den Bergen, das von den Umbrüchen der makedonischen Geschichte erfasst wird.

Es ist die Zeit der Balkankriege, des Ersten Weltkriegs und der Jahre nach diesen einschneidenden Erfahrungen. Jon und seine Ehefrau Velika erzählen in immer abwechselnden Kapiteln von ihrem Leben – und zeigen, wie sie zwischen politischen Verwerfungen, Besitzansprüchen und Auseinandersetzungen fast zerrieben werden. Ort der Geschehnisse ist das Dorf von Jon und Velika in Makedonien, wo damals viele Armeen stationiert waren – Serben, Bulgaren, Franzosen, Engländer, Deutsche und Österreicher, aber die Soldaten kamen hauptsächlich aus Makedonien selber. Es wird auch von den Geschehnnissen an der Front erzählt.

Der Titel des Romans ist symbolisch: durch das dreibeinige Graskraut beschreibt der Autor Andreevski sein ungehorsames Volk der Makedonen. Der Volksweise Lazor Nočeski, eine Nebenfigur aus dem Roman, betont deutlich:

„Unser Stamm ist eine Quecke, keine Armee und keine Krankeit kann ihn ausmerzen. Die Quecke ist ein Unkraut, manche nennen sie auch Hundsgras. Zertritt sie nur, zerr an ihr, so viel du willst, reiß sie mitsamt den Wurzeln aus – sie stirbt doch nicht. Kommt sie bloß ein bisschen mit der Erde in Kontakt, wächst sie wieder an, lebt auf, breitet sich weiter aus. Nichts vermag dieses Kraut auszumerzen.“

Tatsächlich werden das Thema und die Idee des Romans durch diese Symbolik ausgedrückt. Das Thema ist das Leben dieser Ehepartner und ihr Leiden während der Kriege, und die Idee, dass das makedonische Volk überlebt hat und fortbestehen wird.

Rezension zum Roman Pirej/ Quecke

„Pirej“ von Andreevski wurde von den makedonischen Literaturkritikern als Meisterwerk der makedonischen zeitgenössischen Prosa erklärt. Es gilt als Opus Magnum des Autors und als eines der wichtigsten Werke, die im 20. Jahrhundert auf Makedonisch geschrieben wurden. Es wurde bereits ins Kroatische, Englische und Russische übersetzt.

Die Übersetzung von Benjamin Langer wurde von der deutschen Literaturkritik vielfältig und sehr positiv besprochen. Hier eine kleine Auswahl:

Was geschieht mit den kleine Leuten, wenn die Großen und Mächtigen gegeneinander Krieg führen? Es ist kein leicht konsumierbarer, aber ein großer Roman. (…) Überwältigend sind die Sprachbilder, mit denen vor allem Velika die existenziellen Abgründe ausdrückt. Petre M. Andreevskis Roman ›Quecke‹ ist eine Entdeckung, die sich nicht nur für Balkaninteressierte lohnt – Gisela Erbslöh, SWR2 Lesenswert

Moderne und postmoderne Elemente brechen den Bauernroman auf. Doch immer wieder triumphieren Lebenswitz und Verzweiflungsmut über die Zerstörung der dörflichen Welt. Jetzt liegt „Quecke“ auf Deutsch vor. Ein wunderbares Buch der Hoffnung – Jörg Plath, Literaturredakteur, Deutschlandfunk Kultur

Petre M. Andreevski war ein großartiger Erzähler und hat uns mit einem eindrucksvollen Makedonien-Roman beschenkt. (…) Andreevski erweist sich als geschickter Roman-Gestalter und großartiger Erzähler, dessen ›balkanische‹ Sprachkraft an Ivo Andrić erinnert. (…) Die Übersetzung von Andreevskis ›ausgefeilter Kunstsprache‹ war nicht einfach, Benjamin Langer hat sie aber überzeugend geleistet – Sabine Neubert, Neues Deutschland

Über den Autor

Petre M. Andreevski (1934–2006) wurde im Dorf Sloeštica in der Region Demir Hisar im südwestlichen Makedonien geboren. Nachdem er die dortige ländliche Volksschule besucht und später im nahe gelegenen Bitola an einer pädagogischen Mittelschule seinen Abschluss gemacht hatte, arbeitete er für kurze Zeit in den Dörfern seiner Heimatregion als Lehrer. Danach begann er in Skopje südslawische Philologie zu studieren und wandte sich dem Journalismus zu. Als Redakteur für das Makedonische Fernsehen (MRT) war er verantwortlich für Film und Volksmusik, später arbeitete er für das Literaturmagazin „Razgledi“. Nachdem er sich ab den sechziger Jahren zuerst als Lyriker einen Namen gemacht hatte, veröffentlichte er 1980 seinen Roman »Quecke«, bis heute eines der meist gelesenen Bücher Makedoniens. Neben Lyrik und Romanen schrieb Andreevski auch Theaterstücke und Kurzprosa sowie Kinderbücher. Er war Mitglied des makedonischen Schriftstellerverbands DPM, des makedonischen P.E.N. und der Makedonischen Akademie der Wissenschaften und Künste MANU. 2006 starb Andreevski in Skopje, beerdigt wurde er in seinem Geburtsort Sloeštica. Ein Jahr nach seinem Tod, am 9. Oktober 2007, verlieh ihm der Präsident der Republik Makedonien, Branko Crvenkovski, posthum den Verdienstorden für Makedonien für seinen außergewöhnlichen Beitrag zur Entwicklung und Stärkung des makedonischen Geistes und der nationalen Identität und Eigenständigkeit.

Über den Übersetzer

Benjamin Langer, geboren 1976 in Erlangen, ist promovierter Germanist. Von 2005 bis 2009 lehrte er an der Universität »Sveti Kiril i Metodij« in Skopje. Seit 2009 lebt Dr. Langer in Berlin, ist an der Freien Universität Berlin tätig und übersetzt aus dem Makedonischen u.a. Vlada Urošević („Meine Cousine Emilia“, 2013), Goce Smilevski („Gespräch mit Spinoza“, 2016), Petre M. Andreevski („Quecke“, 2017, „Alle Gesichter des Todes“, 2020) und Rumena Bužarovska („Mein Mann“, 2021). 2017 wurde er für seine literarischen Übersetzungen aus dem Makedonischen von der Makedonischen Akademie der Wissenschaften und Künste (MANU) ausgezeichnet.

Petre M. Andreevski: Quecke
Aus dem Makedonischen von Benjamin Langer

Mit Nachworten von Benjamin Langer und Goce Smilevski,
Illustrationen von Valeria Gordeew

445 Seiten, Guggolz Verlag, Berlin 2017

ISBN 978-3-945370-13-1