Makedonien (2001-2004) von Wolf Oschlies

Auszug aus dem Buch „Makedonien 2001-2004 Kriegstagebuch aus einem friedlichen Land“, Xenomoi Verlag 2004

Zur Person: Prof. Dr. Dr. h.c. Wolf Oschlies (*1941) ist Osteuropa- und Balkanexperte, Slawist, Politikwissenschaftler und Autor zahlreicher Bücher und Studien zu historischen und soziopolitischen Problemen der osteuropäischen Länder. 1984 war er Mitautor des ersten Lehrbuchs der makedonischen Sprache, das außerhalb der damaligen sozialistischen Republik Makedonien erschienen ist.

Prof. Dr. Dr. h.c. Wolf Oschlies

Einführung und Vorwort von Wolf Oschlies:

„Die nachfolgenden Seiten basieren vorwiegend auf Analysen, die ich zwischen Januar 2001 und Dezember 2003 für die Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP, Berlin) schrieb. Für die vorliegende Publikation wurden sie überarbeitet, aktualisiert und thematisch neu geordnet, wobei aber die ursprüngliche Datierung beibehalten blieb – in großen Teilen auch der Darstellungsstil im Präsenz, weil dieser sich für die Form eine „Tagebuchs“ nun einmal anbietet.

Die Leser werden bald merken, dass meine Darstellung Makedoniens zwar faktenreich, umfassend, gelegentlich kritisch und stets wohl fundiert ist – aber nur bedingt „objektiv“. Weil der Autor schlichtweg nicht weiß, was „wissenschaftliche Objektivität“ sein und bedeuten soll. Ich halte es mit den Phänomenologen, dass man nur dasjenige erkennen kann, was man in einem gewissen Maße liebt. Wer schreibt, der wertet – besonders als Geistes – und Sozialwissenschaftler. Und wer wertet, der sollte sich zu seinen Wertungen bekennen! Ich räume gern ein, dass mir das kleine Makedonien sehr viel bedeutet, dass ich es für unendlich besser und vernünftiger halte als alle anderen Nachfolgestaaten Ex-Jugoslawiens, dass ich es niemals politischen Kriminellen und Terroristen, vorwiegend albanischer Provenienz, überantwortet sehen möchte, dass ich gewiss Wirrköpfe in Athen oder in Sofia nicht verstehe, die Makedonien seinen Staatsnamen oder seine ethnokulturelle Identität bestreiten wollen: Makedonien ist weder Teil des „historischen Kosovo“ noch eine „westbulgarische Region“ und höchstens in historischer Retrospektive eine „Former Yugoslav Republic“. Makedonien ist vielmehr ein vollgültiger und souveräner Staat, bewohnt von der genuin südslavischen Nation der Makedonen und den Angehörigen von 23 ethnischen Minderheiten, anerkannt von der internationalen Gemeinschaft – allerdings von dieser nur in den seltensten Fällen fair und mit gebotener Rücksicht behandelt. Was macht den politischen Wert Makedoniens aus? Das alte Tito-Jugoslawien galt für einige Jahrzehnte als gelungener Versuch interethnische Konflikte zu beseitigen und somit eine Ausmerzung des balkanischen Erbübels Nummer eins zu präsentieren. So sah es aus, aber so war es nicht! Inzwischen kenne wir den „Konstruktionsfehler“ von Titos föderalem Jugoslawien: Ethnizität wurde durch die Vergabe von „Republiken“ an „Nationen“ so hoch positioniert, dass für Demokratie kein Platz mehr blieb – ethnische Gruppenrechte wurden vergeben, individuelle Menschenrechte „vergessen“. Die Folgen waren überall dieselben: Nationale Eliten festigten die Binnenkohäsion „ihrer“ Republiken, indem sie diese mit allen anderen verfeindeten – ethnische Minderheiten fühlten sich diskriminiert und revoltierten gegen Titularnationen in den jeweiligen Republiken. Im November 1943 hatten Titos Partisanen den „föderalen Neubeginn Jugoslawiens“ nach dem Krieg beschlossen – und niemand kam der Gedanke, dass in eben diesem Neubeginn der Keim künftiger neuer Kriege steckte. Knapp fünfzig Jahre später wusste es jeder.

Allein Makedonien hat sich diesem unheilvollen Mechanismus entzogen. Kiro Gligorov, der erste Staatspräsident der Republik Makedonien, hat es im März 1993 vor dem Bonner „Europa-Dialog“ in überzeugender Schlichtheit erläutert: „Warum blieb Makedonien vom jetzigen Krieg verschont? Weil wir den inneren Frieden bewahrten! In unserer ganzen Geschichte hatten wir niemals einen bewaffneten Konflikt mit ethnischen Minderheiten, das ist unsere Tradition“. Ich habe damals Gligorov zugehört und seine Worte auf Tonband aufgenommen. Um mich herum saßen Minister, Abgeordnete, Star-Journalisten, Wissenschaftler und andere, denen man ansah, wie beifällig sie die Botschaft des makedonischen Präsidenten aufnahmen. Damals gab es eine sehr promakedonische Stimmung in Deutschland – was den damaligen EU-Obernarren, den griechischen Außenminister Theodoros Pangalos, veranlasste, Deutschland als „Monster mit kindischem Verstand“ zu beschimpfen. Wunderbar! Deutscher Außenminister war damals Klaus Kinkel – der am hinreißendsten war, wenn er wütend wurde. Und Pangalos hatte ihn in richtige Wut gebracht: „Dieser Kerl ist Luft für mich“, lies er im Dezember 1993 auf einer Tagung Dampf ab, „ab jetzt ist Schluss: Noch in diesem Monat wird Makedonien anerkannt!“ Wir anwesenden Makedonien-Liebhaber brachten in spontanes „Hurra“ aus.

Wer sich (wie der Autor seit 30 Jahren tut) in Deutschland mit Makedonien und mit der makedonischen Sprache beschäftigt, der hat ein abwechslungsreiches Leben. Deutsche Autoren wie Wolfgang Liebahl bzw. österreichische wie Otto Kronsteiner erklären ihm gönnerhaft, dass es diese Sprache entweder gar nicht gäbe, weil sie natürlich ein „Dialekt des Bulgarischen“ sei, oder dass sie nur als „Potpourriartig zubereitete Neusprache“ existiere, die „Belgrad“ als „antibulgarisch konzipierte Abtrennungssprache“ erfunden habe und die es „gar nicht mehr geben sollte“. Bulgarische Autoren wie Ivan Duridanov erläutern, dass Makedonien und Makedonen keine Vergangenheit haben, weil sie zu Bulgarien und den Bulgaren gehören. Und der Albaner Sqelzen Maliqi wusste bereits 2001, dass Makedonien und Makedonen keine Zukunft haben, weil „die Albaner in einigen Jahrzehnten die Bevölkerungsmehrheit in Makedonien stellen“. Ein deutscher „Wissenschaftler“ wie Stefan Troebst will sich und andere davon überzeugen, dass es „Makedonier“ bis 1944 überhaupt nicht gab, danach nur als Konstrukte ideologischer „Meistererzählungen“. Stünde bei solchen und ungezählten weiteren aussagen nicht Makedonien zur Debatte – die Autoren hätten umgehend ein Gerichtsverfahren wegen Volksverhetzung am Hals. Über Makedonien darf offenkundig jeder schreiben und reden, was er will. Warum? Ich weiß es nicht. Aber ich staune, wie es „Kollegen“ schaffen, alle die zahllosen Studien und Expertisen zu ignorieren, die seit über einem halben Jahrhundert im In- und Ausland zur makedonischen Sprache nicht zu kennen?

Gar nicht zu reden von der rein fachlich-slavistischen Disqualifikation, die sich jeder unweigerlich einhandelt, der einer Sprache schon deshalb die Existenz abspricht, weil sie im Grunde ein „Dialekt“ einer anderen Sprache sei. Erstens ist makedonisch niemals ein Dialekt einer anderen Sprache gewesen, sondern eine autonome slavische Sprachkonvention, die bereits im 9. Jahrhundert die Basis für die schriftbildnerischen Bemühungen der „Slaven-Apostel“ Kyrill und Method lieferte und deren grundlegende Eigenheit schon im 15. Jahrhundert voll ausgebildet waren. Zweitens gibt es in der Sprachenwelt der Slaven durchaus vollwertige Hoch- und Standardsprachen, die als „Retortenkonstruktion“ aus Dialekten entstanden – etwa das Slowakische, das Mitte des 19. Jahrhundert als literatursprachliche Promotion des mittelslowakischen Dialekts geboren wurde.

„Wenn auf dem Balkan über Sprachen diskutiert wird“, warnte Milovan Dilas vor langen Jahrzehnten, „dann werden auch gleich Messer gewetzt“. Das ist wörtlich zu nehmen: Die Österreicher kultivierten Ende des 19. Jahrhunderts in dem von ihnen zuerst verwalteten, später okkupierten Bosnien-Hercegovina eine „bosnische“ Sprache; alles was sie politisch damit erreichen, war eine Eskalation des serbischen Nationalismus, dessen terroristische Aktivitäten in Bosnien bekanntlich den Ersten Weltkrieg auslösten. Als 1941 in Kroatien die faschistischen Ustaše von Hitler und Mussolini an die Macht gebombt wurden, betraf ihr buchstäblich erstes Gesetz die „kroatische“ Sprache, die von der „serbischen“ Sprache für immer getrennt werden müsse – womit der Auftakt eines unbeschreiblichen Terrors gegeben war, der schätzungsweise 700.000 Serben das Leben kostete. Und wer gar im gegenwärtigen Kosovo den Mut aufbringt, irgendeine slavische Sprache zu sprechen, der läuft Gefahr, von Albanern kurzerhand ermordet zu werden – wie tschechische, kroatische und andere Blätter anlässlich jeder Wahl im Kosovo warnen.

In Montenegro gibt es ein „Montenegrinisches Literaturblatt“, das „in montenegrinischer, serbischer, kroatischer und bosnischer Sprache erscheint“. Was heißt das? Die Montenegriner geben keine Erklärung, und ich kann mir keinen Reim darauf machen. Auch nicht auf die ganz ähnlichen Sprachbefunde, die seit dem Zerbrechen Jugoslawiens bei uns kursieren. Mit Wissenschaft und Sprache hat das nichts zu tun, und all denen, die über ihren Aussagen zur „serbischen, kroatischen, bosnischen, montenegrinischen“ etc. Sprache jedwede Wissenschaftlichkeit vergessen, ins Stammbuch geschrieben: Alle diese Sprachen gibt es nicht! Im exjugoslawischen Raum gab und gibt es nur drei slavische Sprachen: Im Norden besteht das Slowenische, das in der zweiten Hälfte des 16. Jahrhunderts von Primož Trubar und seinen Schülern mittels Bibelübersetzungen und Lehrbüchern hochsprachlich konstituiert wurde. Im Süden ist es das Makedonische, das zuerst in liturgischen Schriften präsent war, dann überwiegend nur in mündlichen Gebrauch war und ab August 1944 seine hoch- und standardsprachliche Kodifizierung erfuhr. Zwischen dem Slowenischen und dem Makedonischen lag eine Sprache, die „Serbokroatisch“, „Kroatoserbisch“, „Serbisch“, „Kroatisch“ oder anderswie genannt wurde, wobei es sich immer um ein und dieselbe Sprache handelte, die für ca. 80 Prozent der Einwohner Ex-Jugoslawiens die Muttersprache war. Dass sie seit Jahrhunderten in differierenden Alphabeten geschrieben und von Menschen unterschiedlicher Glaubensrichtungen gesprochen wurde und dennoch bis auf minimale phonetische und lexikalische Unterschiede dieselbe Sprache blieb, bezeugt nur ihre „Haltbarkeit“.

Wenn diese gemeinsame Muttersprache heute offiziell nicht mehr existiert, dann ist das die Folge politischer Entscheidungen und der aus ihnen resultierenden Konflikte. Das ist zu bedauern, allerdings linguistisch zu vernachlässigen: Sprache ändern oder spalten sich nicht durch politische Entscheidungen. Das wissen wir im deutschen Sprachraum am besten: Nach 1945 scheiterte der Versuch von Felix Hurdes (1901-1974), als Wiener Unterrichtsminister die Kreation einer „österreichischen“ Sprache zu betreiben – ebenso wie nach 1970 Ulbrichts und Honeckers Bemühungen um die Schaffung einer neuen „Nationalsprache der sozialistischen deutschen Nation“. Und den derzeitigen „kroatischen“, „bosnischen“ etc. Newspeaks wird es ebenso ergehen – wenn man erst einmal allgemein erkannt haben wird, dass man sich außer interethnischer Feindschaft nationalem Bildungsverfall und Aufspaltung des gemeinsamen Buchmarkts und Kommunikationsraumes nichts eingehandelt hat.

Wie man es anders und besser machen könnte, demonstrieren seit langen Jahren die Makedonen. In den Nachbarländern Makedoniens leben große Gruppen von Makedonen: Bulgarien 250.000, Griechenland 22.000, Albanien 170.000. Dabei handelt es sich um Mindestangaben, die vermutlich sehr viel höher ausfallen könnten. In früheren Zeiten durften diese Makedonen nur in Albanien „Makedonen“ sein: Offiziell gab es zwar nur knapp 5.000 von ihnen, aber für sie bestanden wenigstens Elementarschulen mit eigenen Lehrbüchern. In Bulgarien wurden diese Makedonen als „Bulgaren“ vereinnahmt, in Griechenland als „slavophone Hellenen“. Seit einigen Jahren hat sich diese Lage zumindest dahingehend geändert, als niemand mehr einen Vorwand hat oder finden kann, diesen Makedonen die eigene Identität zu verwehren. Da allerdings mehr für sie nicht getan wird, sind sie notwendigerweise auf die Republik Makedonien angewiesen, wenn sie eigenen Schulen und Kirchen bauen, eigene Lehrbücher und Zeitungen editieren oder alles andere tun wollen, was eine ethnische Minderheit zum kulturellen Überleben benötigt. Der frühere Innenminister Ljube Boškovski zog daraus den vernünftigen Schluss, für die Makedonen im benachbarten Ausland „Reziprozität“ einzufordern: Wenn Makedonien per Vertrag veranlasst wird, seinen Minderheiten unendlich größere Möglichkeiten zur Identitätswahrung einzuräumen, dann ist es nur recht und billig, für Diaspora-Makedonen ähnliche Möglichkeiten zu verlangen. Leider verdarb Boškovski seinen im Grunde guten Ansatz wieder, als er diesen auslands-Makedonen Staatsbürgerschaften geben wollte und ihre Zahl in astronomischen Höhen ansetzte: „mindestens fünf Millionen“.

Boškovski wäre damit selbst dann nicht durchgekommen, wenn sich Makedonien in einer anderen Lage als der aktuellen befände. Denn dieses Land weist ein paar „unbalkanische“ Eigenheiten auf, die international nicht gewürdigt und regional als Schwäche, die es auszunutzen gilt, eingeschätzt werden:

  • Makedonien teilt das Schicksal mehrere Balkan-Völker, dass etwa die Hälfte der eigenen Nation außerhalb der Grenzen des eigenen Staates lebt. Im Unterschied zu allen anderen Balkan-Staaten bestehen in Makedonien jedoch weder politischer Wille noch allgemeine Bereitschaft, diesen Zustand durch Bildung eines „Groß-Makedonien“ zu überwinden. In einer Region, in der sogar Optionen für ein „Groß-Montenegro“ geäußert werden, fehlt völlig das Postulat nach einem „Groß-Makedonien“. Es fehlt, obwohl es von allen ähnlichen Projekten – von „Groß-Albanien“ bis „Groß-Ungarn“ – am leichtesten zu realisieren wäre: Es müsste nur die räuberische Teilung Makedoniens von 1912 rückgängig gemacht werden, bei welcher sich Griechenland die gesamte Südhälfte des alten integralen Makedonien sicherte und Serbien das nordwestliche Drittel. Daran denkt natürlich niemand, am wenigstens die Makedonen selber
  • Die Makedonen haben eine instinktive Angst vor dem Krieg und tun sehr viel, ihn zu vermeiden. Das heißt nicht, dass sie Feiglinge wären: Hätte sich die Armee der Republik Makedonien (ARM) 2001/2002 nicht auf internationalen Druck hin bei der militärischen Abwehr albanischer UCK-Terroristen zurückhalten müssen, dann hätte die internationale Gemeinschaft erheblich weniger Probleme mit diesen „Freiheitskämpfern“.
  • Makedonien war die ganzen 1990er Jahre über eine „Oase des Friedens“. Das Land hatte sich sehr bewusst und sehr geschickt aus dem ex-jugoslawischen Bürgerkrieg herausgehalten. Damit erweckte es bei manchen Nachbarn den Eindruck, schwach und wehrlos zu sein. Besonders Griechenland bemühte sich damals, dem Land mittels zwei Embargos das Lebenslicht auszublasen. Später kamen albanische Terroristen aus dem Kosovo und provozierten militärische Konflikte im Norden und Westen Makedoniens. Alle griechischen und albanischen Anschläge hatten nicht nur keinen Erfolg – sie kehrten sich gegen ihre Urheber: Griechenland sah sich Ende 2003 der Gefahr eines „Aufstandes der Skipetaren“ in den eigenen Nordregionen konfrontiert – die kosovarische Politiker, alle mehr oder minder mit der UCK verbunden, können für die absehbare Zukunft ihren Traum vom „souveränen Kosovo“ vergessen. Und Makedonien betreibt gegenüber allen Nachbarn, was es immer betrieben hat: „Äquidistanz“. Vor einhundert Jahren sprach man noch vom „makedonischen Separatismus“, aber gemeint war und ist immer dasselbe: Trau keinem balkanischen Nachbarn!
  • Umgekehrt müssen Makedoniens Nachbarn einsehen, dass dieses Land besteht und bestehen bleibt, zudem wachsende Bedeutung für den ganzen Balkan erlangt: Es grenzt an Serbien, Griechenland und Albanien, also drei Länder, die sich die UCK als „Kampfzonen“ auserwählt hat. In einer solchen Lage Makedonien zu unterstützen, ist in jedem Fall der bessere Teil der Klugheit. Zudem ist Makedonien das „Einfallstor“ für die Länder Ex-Jugoslawiens und das „Herzstück“ balkanischer Verkehrsplanungen, vor allem der seit der Antike vermissten „Balkan-Transversale“.

Mit anderen Worten: Makedonien hat zwölf Jahre lang eine Fülle von versteckten oder offenen Angriffen auf seine Sicherheit , territoriale Integrität und kulturelle Identität abgewehrt und im Vollzug dieser Abwehr auf ruhige, überlegte und überzeugende Weise aus missliebigen Nachbarn und potentiellen Gegnern aktuelle „Sponsoren“ makedonischer Selbsterhaltung und Entwicklung gemacht. Dieses Land hat ein Beispiel gegeben, wie ein befriedeter und europäisierter Balkan beschaffen sein könnte. Man schaue sich doch einmal balkanische Diaspora-Gruppen in Westeuropa an! Wie lustvoll haben sich die Kroaten eingangs der 1990er Jahre von ihrem Kriegsverbrecher-Präsidenten Franjo Tudjman und seiner rechtsautoritären HDZ ausbeuten lassen: Über eine Milliarde Dollar sollen sie gespendet haben. Wofür? Letztlich für die Privatkonten der Zagreber Machtclique. So berichtete es damals das regimekritische Nachrichtenmagazin „Danas“, dass daraufhin vom Regime „gleichgeschaltet“ wurde. Gar nicht zu reden von den Albanern. Als ich noch in Köln in einem Forschungsinstitut tätig war, hatte ich auf meinem Schreibtisch einen eigenen „Apparat“ mit politischer und ethnographischer Literatur über Albaner, speziell solche aus dem Kosovo. Diese Literatur benötigte ich für die häufigen Besucher aus nordrhein-westfälischen Polizeizentralen.  Die waren ratlos: Nach „Russen-Mafia“, „Rumänen-Mafia“ hatten sie es nun mit „Kosovo-Albanern“ zu tun, und die stellten mit ihrer verbrecherischen Brutalität alles in den Schatten, was deutsche Polizei zuvor jemals erlebt hatte. Und von mir erbat man Aufklärung über Albaner und ihr Verhältnis zu Nicht-Albanern. Makedonen in Deutschland haben Vereine, Sportclubs und Kirchengemeinden gegründet – Albaner in Deutschland zahlten „Zwangssteuern“ für kriminelle Terrorgruppen wie die UCK, wenn sie nicht gleich loszogen, um in dieser anzuheuern.“(…)

Es ist verständlich, wenn dieses Makedonien, das aus balkanischen Schablonen so völlig herausfällt, immer mehr internationales Interesse erweckt. Schlecht und unverständlich ist nur, daß dieses Interesse so schlecht bedient wird. Im Internet tummeln sich Seiten zu Hauf, die landeskundliche Informationen vermitteln, dabei in aller Regel aber schon beim ersten Schritt stolpern. (…)

Ich beanspruche nicht, die ultimative Darstellung der Zeitgeschichte und Politik Makedoniens vorzulegen. Aber sicher bin ich mir schon, das Land sehr viel besser, exakter und fundierter als die meisten von denen, die sich dazu äußern, zu kennen. Die nachfolgenden Seiten mögen einen Eindruck davon vermitteln. Wer mit mir darüber diskutieren möchte, soll mir willkommen sein.“

Kerpen Rhld., April 2004 – Prof. Dr. phil. habil. Dr. h.c. Wolf Oschlies

Titelbild „Die Landschaft Macedonien“: Historische Karte Makedoniens, gezeichnet um 1760 von dem deutschen Geographen und Historiker Anton Friedrich Büsching (1724-1793)

Makedonien 2001-2004. Kriegstagebuch aus einem friedlichen Land, Wolf Oschlies

326 Seiten, Taschenbuch (kartoniert). ISBN: 3-936532-40-0   Preis: 16,80 €

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